Jedem Besucher des Gaia Zoo in Kerkrade, der von Herzogenrath aus kommend entweder durch die Kerkrader Innenstadt oder die Umgehungsstraße anfährt fällt die Feuerwache (Niederländisch: Brandweerkazerne) ins Auge. Ebenfalls ist es Euch/Ihnen als Leserinnen und Leser unserer Internetseite bereits aufgefallen, dass wir über Einsätze der Feuerwehr (Brandweer) und der Polizei (Politie) Kerkrade berichten.

Dem feuerwehrtechnisch nicht unwissenden Leser fällt dabei auf, dass nicht nur das Design der Fahrzeuge unterschiedlich ist sondern, dass die Unterschiede weitere Bereiche betreffen. Um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede besser verstehen zu können habe ich die Brandweerkazerne in Kerkrade besichtigt.

Bei dieser Besichtigung wurden zwar massive Unterschiede deutlich, noch größer waren jedoch die Gemeinsamkeiten. Sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden dominieren zahlenmäßig die Freiwilligen Feuerwehrleute. In beiden Systemen hat das Leben von Menschen oberste Priorität.

Doch da kommen auch schon die Unterschiede auf.

Blaulicht und Einsatzhorn werden restriktiver eingesetzt

In Deutschland fährt die Feuerwehr  zu Bränden immer mit Blaulicht und  Horn. In den Niederlanden werden Brände ohne Risiko für Menschen (beispielsweise Mülleimerbrände oder Brände im Wald außerhalb des Sommers) als Prio 2 (Einsätze sekundärer Priorität) eingestuft und somit ohne Blaulicht und  Horn gefahren.

Ebenso wird bei ausgelösten Brandmeldeanlagen weder die Sondersignalanlage verwendet noch ein derart großes Aufgebot aufgefahren wie in Deutschland. Ausnahmen bestehen bei Sonderobjekten.

Zur Absicherung von Einsatzstellen wird gelbes Blinklicht verwendet.

 

Einheitliche Ausbildung

Ein anderer Unterschied besteht darin, dass in den Niederlanden die Feuerwehr nicht mehr kommunal sondern Regional organisiert ist. Ebenfalls ist die Ausbildung  von Berufs und Freiwilligen  Feuerwehrleuten in den Niederlanden einheitlich.

Das ermöglicht es Freiwilligen Feuerwehrleuten ohne eine Ausbildungsdoppelung auch an Berufsfeuerwehrstandorten oder bei Werkfeuerwehren zu arbeiten. Zudem ist es möglich als Freiwilliger nur in Schichten auf einer Berufsfeuerwache zu arbeiten.

Die Ausbildung gliedert sich in die Module Brandbekämpfung (inklusive Atemschutzlehrgang), Technische Hilfe, Gefahrgut sowie den Lehrgang Wassernotfälle. Nach dem Abschluss des Moduls Brandbekämpfung dürfen die Anwärter als drittes Truppmitglied zur Brandbekämpfung vorgehen. Sobald das Modul Technische Hilfe, welches eigentlich immer mit dem Modul Gefahrgut verbunden ist abgschlossen wurde dürfen die Anwärter normal im Trupp eingesetzt werden.

Einheitliche Fahrzeuge und Schutzausrüstung

Die Fahrzeughalle der Kazerne Kerkrade

National genormt sind neben der Ausbildung auch die Fahrzeuge und die Einsatzkleidung, welche von Generationsunterschieden einmal abgesehen landesweit einheitlich aussehen. Die Fahrzeugbeladung und Taktiken unterscheiden sich in gewissen Spielräumen zwischen den Sicherheitsregionen und auch zwischen verschiedenen Standorten einer Regionalfeuerwehr.

Die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) ist landesweit einheitlich. Sie besteht aus einer Überhose und einer Jacke, welche in Deutschland die Kategorie HuPF 3 erfüllen, daher muss unter der Hose eine weitere Hose getragen werden. Als Helm kommt der MSA Gallet F1 mit Hollandtuch zum Einsatz. Die Stiefel stammen von Haix, hier sind verschiedene Modelle im Umlauf.

Zusätzlich sind auf den Fahrzeugen leichte Helme für die technische Hilfeleistung vorhanden.

 

Andere Löschtaktiken

In den Niederlanden gibt es nur ein Erstangriffsfahrzeug bei den öffentlichen Feuerwehren, das Tanklöschfahrzeug (Tankautospuit, kurs TS), welches im Unterschied zu deutschen TLF neben einem Wasservorrat (in den Niederlanden 3000 Liter) mit zwei Schnellangriffen ausgestattet ist, die auch mit Hochdruck benutzbar sind. Deshalb ist im Gegensatz zur in Deutschland üblichen Normaldruckpumpe (FPN) eine Hochdruckpunpe (FPH) verbaut. Die Schnellangriffe sind die erste Wahl auch im Innenangriff! was in Deutschland eher unüblich ist. Zudem sind die Schläuche mit 90 Metern Länge dreimal so lang wie der Normschnellangriff des deutschen     (H)LF 20. Die in Deutschland standardmäßig verwendeten nicht formstabilen Druckschläuche sind hier nur noch mit den Durchmesssern 75mm als Zubringer vom Hydranten oder HFS und 72mm für Großbrände, bei denen die Durchflussmenge der Schnellangriffe nicht mehr ausreicht im Einsatz.

Durch den größeren Wasservorrat und die regionale Organisationsform (1 bis 3 Regionalfeuerwehren pro Provinz) kann mit erheblich weniger Personal gearbeitet werden. Die Regionalfeuerwehren unterhalten die einzelnen lokalen Feuerwachen. Im Alarmfall wird durch die Regionalstruktur immer die nächstgelegene Feuerwache, beziehungsweise das am nächsten zur Einsatzstelle befindliche einsatzbereite Fahrzeug alarmiert. Wodurch weniger Wachen benötigt werden.

Anderes Konzept zur Absicherung von Atemschutztrupps

Ein anderer Grund, weshalb weniger Personal gebraucht wird ist unter deutschen Vorschriften nicht zulässig. In den Niederlanden ist genauso wie in Deutschland ein Sicherheitstrupp für jeden Trupp, der unter Atemschutz vorgeht zu stellen. Anders als in Deutschland darf dieser aber auch in einem anderen Abschnitt des Gebäudes zur Brandbekämpfung im Innenangriff eingesetzt werden.

Dieses Vorgehen ist in Deutschland nicht mehr zulässig, nachdem am 6. März 1996 der 28 Jährige Brandmeister Andreas Stampe bei einem Kellerbrand getötet wurde. Ein Teil der fatalen Kette, deren Resultat der Tod des Feuerwehrmannes war, war dass der Rettungstrupp beim Aufbau eines Schaumangriffes in einem anderen Einsatzabschnitt übernahm.

Ebenfalls besteht der Schwachpunkt, dass bei einem Versagen der Gebäudestruktur beide Trupps, welche sich gegenseitig absichern hilfsbedürftig sind. Zudem ist bei Atemschutzunfällen damit zu rechnen, dass nicht nur ein Feuerwehrmann nicht mehr handlungsfähig ist, andererseits ist insbesondere bei einem Gebäudeeinsturz die Rettung ohne Spezialpersonal und Gerät, welches weder in Deutschland noch in den Niederlanden standardmäßig mitgeführt wird eher unwahrscheinlich.

 

Material für Wassernotfälle

In den Niederlanden ist aufgrund der häufiger auftretenden Wasserunfälle eine umfangreichere Ausstattung hierfür vorhanden. Ein sehr gutes Beispiel ist die Rettungsleine, welche auf jedem TS vorhanden ist. Dabei handelt es sich um eine mehrere Meter lange Paracordschnur. Diese wird im Einsatzfall dem Patienten zugeworfen, damit dieser sich daran festhalten kann. Der Platzbedarf beträgt nur wenige Quadratzentimeter, der Preis dürfte im Bereich deutlich unter 100 Euro liegen.

Ebenfalls ist zumindest in Südlimburg eine spezielle Schleifkorbtrage zur achsengerechten Rettung aus dem Wasser an allen Wachen mit dort stationierter Drehleiter. Diese besteht aus einem Drahtgeflecht, weshalb sie im Wasser versenkt werden und wenn sich der Patient genau über der Trage befindet wieder hoch gezogen werden kann. Dies geschieht über die Drehleiter. Dieses vorgehen schaltet eine häufige Komplikation bei Rettungen aus kalten Wasser, den sogenannten Bergetod aus. Dieser entsteht durch die in europäischen Gefilden niedrigen Wassertemperaturen, welche bei Personen, die längere Zeit im Wasser sind immer zu einer Unterkühlung führen. Wenn der Unterkühlte im Rahmen der Rettung  (nach alter Definition teilweise Bergung) zu schhnell in eine andere Position bewegt wird kann es durch die starken Temperaturunterschiede zwischen dem innen befiindlichen Blut und dem in den äußeren Blutgefäßen befindlichen Blut zu Herzrhythmusstörungen bis zum Kammerflimmern oder einem Herzstillstand kommen. Da diese Methode keine Lageveränderung fordert ist diese Gefahr so gut wie ausgeschlossen.

Ebenfalls sind Rettungsboote erheblich weiter verbreitet.

Einheitliche Leitstelle

In den Niederlanden existiert nur eine Leitstelle für Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst pro Sicherheitsregion. Daher besteht auch nur noch die 112 als Notrufnummer.  Innerhalb der Leitstelle bestehen unterschiedliche Arbeitsbereiche für die verschiedenen Organisationen.

First Responder Einsätze

In den Niederlanden sind Feuerwehr und Rettungsdienst grundsätzlich getrennt. Andererseits sind First Responder Einsätze, vor allem bei Reanimationen erheblich weiter verbreitet als in Deutschland. Für jedes TS ist nicht nur ein Notfallrucksack sondern auch ein AED vorgeschrieben. Der Einsatz von Feuerwehr und Polizei als First Responder erhöhte die Überlebenschangce bei einem Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses in den Niederlanden massiv. Dieses vorgehen verbreitet sich in Deutschland unter anderem wegen der guten erfahrungen in den Niederlanden immer mehr.

Funktionskennzeichnung

Die Kennzeichnung von Anwärtern, Praktikanten und Führungskräften erfolgt in den Niederlanden ausschließlich

Die Niederländische Variante
Quelle: Wikipedia/Wikicommons

durch Koller. Diese sind ähnlich wie in Deutschland farbcodiert. Jedoch ist durch diese Koller bei Fahrzeugführern nur erkennbar, dass die Person entsprechend Qualifiziert ist. Eine Zuordnung zu welchem Fahrzeug existiert nicht.

Wasserförderungskonzept

Die Brandweer setzt neben der größeren Wasssertanks und der klassischen Wasserversorgung über Hydranten auch auf andere Wasserversorgungsmethoden. Unter anderem sind längere Saugschläuche vorhanden um das Kuppeln der Saugleitung teilweise sogar einszusparen.

Ebenfalls sind die Hytrans Fire Systeme (HFS) in den Niederlanden erheblich weiter verbreitet als in Deutschland, dies könnte damit zusammenhängen, dass diese Technik dort erfunden wurde. Diese werden verstärkt eingesetzt, auch weil 5 der 24 Sicherheitsregionen kein Trinkwasser mehr als Löschwasser verwenden.

Eine andere Möglichkeit Wasser an eine Einsatzstelle zu bringen sind Abrollbehälter, die mehrere tausend Liter Wasser fassen.

iPad für Mannschaft und Führung

In den TS sind zwei iPads vorhanden, das erste befindet sich vorne rechts beim Gruppenführer. Das zweite befindet in der Mannschaftskabine. Sie dienen der Informationsbeschaffung während der Anfahrt. Ein gutes Einsatzbeispiel wäre die Betrachtung von Luftbildern oder Gebäudeplänenm während der Anfahrt um so direkt eingreifen zu können. Bei Verkehrsunfällen ermöglicht das Fahrzeuggebundene Kennzeichnungssystem der Niederlande auch die Möglichkeit fahrzeugrelevante Daten wie Rettungskarten/Fahrzeugdatenblätter direkt abzurufen wenn das Nummernschild bekannt ist.

Ebenfalls besteht die Möglichkeit, dass die Leitstelle Informationen auf die iPads aufspielt.

In den nächsten Wochen wird in einem weiteren Beitrag die Brandweerkazerne Kerkrade mit den lokalen Besonderheiten vorgestellt. Wer sich im Rahmen von Videos ein eigenes Bild von den Taktiken der Brandweeer Gelderland-Midden machen möchte, dem ist der YouTube-Kanal der Brandweer Lunteren sehr zu empfehlen.

Redaktion: Leo M. Schmelcher

 

 

 

 

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