Man mag es kaum glauben. Die sonst so schöne und moderne Innenstadt in Stolberg, zerstört von Wassermassen. Ganze Straßenzüge unterspült und eingestürzt. Sperrmüll, egal wohin man schaut. Und die Einwohner geschockt und verärgert. Auf den Straßen liegen Existenzen, Erinnerungen und Familienfotos.
Unscheinbar ist die Katastrophe. Angenehme Temperaturen von 25°C und purer Sonnenschein herrschen nach zwei Tagen in Stolberg. Der Bus endet schon in Atsch oder in der Aachener Straße. Läuft man aber weiter in Richtung des „Mühlener Bahnhofs“, wird einem das Ausmaß klar.
Wir befinden uns in einem Hochwassergebiet.
Am 13.Juli.2021 kamen erste Meldungen über starken Dauerregen. 100-150 Liter pro Quadratmeter lautet es nach ersten Informationen aus der Warnapp „NINA“ (Notfall-Informations- und Nachrichten App des BBK).
Für normale Innenstädte stellen diese Mengen an Regen keine besondere Gefahr dar. Doch für Städte, die sich in der Nähe eines Baches bzw. Flusses befinden oder eine Tal-Lage haben, kann es brenzlich werden.
Besonders brenzlich kann es werden, wenn sogar beides der Fall ist.
So auch in Stolberg, wo die Häuser aus Zeiten stammen, in denen Bewohner ihre Wäsche in den Flüssen gewaschen haben. Dadurch sind die meisten Häuser direkt am Wasser gebaut und haben einen Hinterausgang, der direkt am Wasser liegt.
Besonders die Stolberger Innenstadt ist umgeben vom Hammerberg, Donnerberg, Blankenberg und Jordansberg. Zudem fließt durch die Innenstadt die „Vicht“. Ein Bach, der in Roetgen entspringt.
Der „Vichtbach“ hat auf seiner Strecke in Richtung Stolberg mehrere Zuflüsse von anderen Bächen, die nach den starken Regenfällen viel mehr Wasser mit sich brachten, als es sonst der Fall ist.
Feststeht, dass sich auf dem Weg nach Stolberg so viel Wasser angesammelt hat, dass Stolberg überflutet wurde. Schaut man auf die noch nassen Fassaden der Häuser, kann man erkennen, dass das Wasser extrem hoch gewesen sein muss.
Das Hochwasser übertraf die höchste Alarmstufe in Aachen. Mit so einem Ereignis habe man nicht gerechnet.
In Stolberg und Eschweiler sieht die Lage noch dramatischer aus.
Die Feuerwehr befand sich im Dauereinsatz. Viele Einsatzkräfte sind am Ende ihrer Kräfte. Bei 67 Stunden im Einsatz und nur wenig Erholung ist dies auch verständlich.
Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Viel Zeit blieb ihnen nicht, weshalb nur die wichtigsten Sachen mitgenommen wurden. Zunächst evakuierte die Feuerwehr die unteren Geschosswohnungen, aber auch dies genügte nicht mehr. Zum Teil wurden auch obere Stockwerke evakuiert, da das Wasser immer weiter anstieg.
Einen Nachteil hatten dabei jedoch eher die älteren Menschen. Diese konnten sich nur mit viel Kraft und Glück aus den Häusern retten, da die Flut für diese Menschen überraschend kam.
Dann, am 16.7., fiel in Kornelimünster, Stolberg und Eschweiler der Strom aus. Stromkästen wurden überflutet und teils mitgerissen. Die Regionetz warnt, sich solchen Anlagen nicht zu nähern, da viele Geräte nicht ausgeschaltet sind. Der Handyempfang ist in diesen Regionen nur begrenzt verfügbar.
Hinzu kam, dass das Trinkwasser ausgefallen ist und verschmutzt wurde. Es gab eine Evakuierung des Krankenhauses in Eschweiler. Fast 300 Patienten mussten in Kliniken, die sich in der Umgebung befinden, verlegt werden. Die gesamten ehrenamtlichen Einsatzkräfte des Rettungsdienstes in der Städteregion wurden alarmiert. Durch das Unwetter war auch der normale Rettungsdienst überlastet. Daraufhin forderte die Feuerwehr Aachen Unterstützung von den Maltesern aus Warendorf an. Diese übernahmen mitunter die Einsätze. Der Katastrophenfall wurde ausgerufen. Einsatzkräfte aus Hessen, NRW und umliegenden Bundesländern kamen nach Aachen gefahren, um die Masse an Einsätzen abzuarbeiten.
Zwei Tage nach der Katastrophe sind die Auswirkungen immer noch sichtbar. Jeder packt an und hilft dem anderen. Supermärkte, die zerstört wurden, spenden ihre Lebensmittel an die Bevölkerung. „Zentis“ verteilt Trinkwasser in Behältern, in denen normalerweise Marmelade transportiert wird. Bauunternehmen leisten Amtshilfe und transportieren Schutt in die nächstgelegene Sammelstelle. Baumärkte spenden Wassersauger und Pumpen.
Die Solidarität ist hier deutlich zu spüren, wodurch die Stimmung gesteigert wird. Niemand ist hier allein.
Trotz dessen sind viele Einwohner überfordert und brechen auf offener Straße einfach zusammen oder verletzten sich bei Arbeiten. Der Rettungsdienst in Stolberg mit zwei Rettungswagen im Regelbetrieb ist weitestgehend überlastet. Der daraufhin alarmierte Rettungswagen kommt aus Aachen oder Würselen und benötigt meist um die 15 Minuten. Auch Krankentransportwagen fahren durch die Straßen Streife und behandeln Patienten, wenn etwas zugestoßen ist. Durch das zusammengebrochene Handynetz ist der Anruf bei der 112 manchmal nicht möglich. (Die Hilfsfrist konnte weiterhin eingehalten werden, da Ersthelfer des THW, Feuerwehr o.ä. vor Ort waren)
Viele der Anwohner befinden sich einfach im Stress. Viele müssen ihre gesamte Inneneinrichtung aussortieren und als Sperrmüll auf die Straße schmeißen.
Auf den Straßen sammeln sich Berge an Möbel und anderen Gegenständen, die durch das Hochwasser zerstört wurden. Besonders der Steinweg in der Innenstadt ist nur noch ein reiner Berg an Müll. Ein Durchkommen ist nur begrenzt möglich.
Bewohner versuchen lediglich das zu retten, was noch zu retten ist.
Hierfür ist auch das THW aus Herzogenrath und dem Kreis Düren. Das THW vermisst die Standfestigkeit der Gebäude, pumpt Keller aus und versucht zusammen mit der Bundeswehr das Stadtarchiv Stolberg zu sichern.
Trotz der Katastrophe versuchen Plünderer auch ihr Glück und nutzten das Hochwasser aus. Allein in der Städteregion wurden mehrere Strafverfahren eingeleitet. Deswegen zeigt die Polizei besondere Präsens in Stolberg und Eschweiler. Nicht nur Beamte aus Aachen, sondern auch aus NRW, wie zum Beispiel Düsseldorf, unterstützen die Polizei in Stolberg. Gemeinsam gehen die Beamten auf Streife und versuchen Plünderungen oder Tourismus zu verhindern.
Die Schäden der Katastrophe sind unvermeidbar gewesen. Bewohner sind trotzdem ziemlich verärgert. Es wird von mehreren Menschen auf offener Straße berichtet, dass die Talsperre in Simmerath ohne jegliche Kenntnis geöffnet wurde. Die daraus folgende Flutwelle, die dann nach Stolberg kam, wäre auch zu vermeiden gewesen. Man hätte mehr Zeit verschaffen können, hätte man die Schleuse geschlossen gehalten. Ein Mann berichtet uns aufgeregt auf der Straße, dass Verwandte seines Freundes nur knapp aus dem Haus gekommen seien. Die Öffnung wurde mit niemandem kommuniziert.
Die Flut ging allen Einwohner sehr nah. Es ist ein Jahrhundertereignis gewesen. Der Wiederaufbau der Stadt Stolberg kann mehrere Monate bis Jahre dauern.
Wir wünschen allen Beteiligten nur das Beste.
Quelle: Redaktion Blaulicht Aachen